Wir dürfen nicht weniger machen, als das, was uns möglich ist

Wir dürfen nicht weniger machen, als das, was uns möglich ist

Seit Ende 2015 ist Silvia Nossek Bezirksvorsteherin von Währing. Ein Gespräch über gelungene Projekte und die Herausforderungen der Zukunft.

Währinger Blattl: Das ist nun dein zehntes Jahr als Bezirksvorsteherin in Währing. Was sind denn deine persönlichen Highlights?

Silvia Nossek: Oh, das ist schwer – ich erinnere mich an so vieles sehr gern. Zum Beispiel den Johann-Nepomuk-Vogl-Platz: Über mehrere Jahre haben wir gemeinsam mit den Anrainer*innen daran gearbeitet, wie man aus diesem Hinterhof ein Wohnzimmer für die Nachbarschaft machen kann. Und jetzt freu ich mich jedes Mal – vor allem im Sommer, wenn die Kinder durchs Wasserspiel toben, die Jugendlichen Tischtennis spielen und die älteren Menschen auf den Bänken plaudern.

Ich bin sehr froh, dass wir das Gersthofer Platzl umgestaltet haben und dass es uns gelungen ist, den 42A nach jahrzehntelanger Diskussion endlich nach Gersthof zu führen. 200 neue Baumstandorte im dicht verbauten Gebiet sind ein riesiges Highlight, und dass wir die alten Lindenalleen in der Pötzleinsdorfer Straße und zuletzt in der Kreuzgasse retten konnten auch. Und dass es oft nur ein Bankerl braucht, um Menschen den Alltag zu erleichtern – und wir davon mittlerweile ganz viele im Bezirk aufgestellt haben.

Dazu kommen die Spielplatzerneuerungen im Schubertpark und im Währinger Park unter Mitwirkung des Kinderparlaments. Und auch einen langjährigen Wunsch des Jugendparlaments konnten wir erfüllen: Die Skateranlage im Währinger Park hat seit letztem Jahr eine Flutlichtanlage.

WB: Gibt es auch Dinge, die du dir anders gewünscht hättest?

SN: Klar gibt es die. Also, wenn der Kampf um das WC am Gersthofer Platzl nicht ganz so lange gedauert hätte, wäre das schon fein gewesen. Es ist schön, dass wir an einigen Stellen die Blockaden der Straßenbahn wegen falsch abgestellter Autos erfolgreich reduziert haben, aber es sind trotzdem immer noch viel zu viele. Und dass die Wiener Linien – so sehr wir eine super Zusammenarbeit mit ihnen haben – die Intervalle auf allen Währinger Straßenbahnlinien verlängert haben, ist inakzeptabel. Ich streite deswegen regelmäßig mit ihnen, und auch dafür, dass wir im Westen Richtung Wienerwald endlich eine brauchbare Versorgung mit öffentlichem Verkehr bekommen.

WB: Du hast diese 200 neuen Bäume angesprochen, die besonders im dicht verbauten Gebiet gepflanzt wurden. Gleichzeitig werden die Wünsche nach zusätzlichen Bäumen nicht weniger. Wie geht es dir damit?

SN: Ich verstehe die Ungeduld. Und ich freue mich, dass das Bewusstsein wächst, wie wichtig das Grün für ein lebenswertes Wohnumfeld ist. Gleichzeitig ist es einfach sehr aufwändig, in der gewachsenen Stadt Bäume zu pflanzen. Und nicht nur unsere finanziellen Kapazitäten sind beschränkt, auch die personellen Möglichkeiten der Stadt bezüglich Planung und Umsetzung sind am Limit. Ich kann nur versichern: Wir machen weiter und mit jedem Projekt wird Währing ein ganzes Stück grüner.

WB: Wenn man die Klimakrise bedenkt, dann sind es halt kleine Inseln, die wir da in Währing schaffen.

SN: Wir müssen uns eines vor Augen halten: Die Ursachen und die Auswirkungen der Klimakrise sind so vielschichtig, dass es nicht die zehn Maßnahmen gibt, die Abhilfe bringen, und nicht die fünfhundert Menschen, die das lösen werden. Wir müssen diese Herausforderung tatsächlich auf allen Ebenen entschlossen angehen – und das heißt: Wir können nicht mehr machen, wir dürfen aber auch nicht weniger machen, als das, was uns in unserem Bereich möglich ist.

WB: Kleiner Themenwechsel: Oft ist die Rede davon, dass Politik vor allem aus dem Blickwinkel von Männern gemacht wird. Wie erlebst du das?

SN: Ja, das ist schon so. In der Stadt merkt man das vor allem an der Straßengestaltung: Es waren und es sind immer noch viel mehr Männer, die mit dem Auto unterwegs sind als Frauen. Und so wurden über Jahrzehnte die Straßen so gestaltet, dass der Autoverkehr möglichst zügig „fließen“ kann – zu Lasten aller anderen Verkehrsteilnehmer*innen.

Frauen hingegen fahren mehr mit den Öffis und gehen mehr zu Fuß. Es sind immer noch hauptsächlich Frauen, die die Kinder zur Schule bringen oder mit älteren Angehörigen spazieren gehen und für sie Erledigungen machen. Sie haben daher auch mehr Interesse, dass die Straßen und Schulwege sicher fürs Zu-Fuß-Gehen sind, dass es ab und zu ein Bankerl zum Rasten gibt, dass die Parkanlagen und Spielplätze in gutem Zustand sind.

WB: Gibt es bei der Gestaltung des öffentlichen Raums auch Unterschiede zwischen den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen und denen alter Menschen?

SN: Es gibt Bereiche, wo die Bedürfnisse unterschiedlich sind – zum Beispiel in den Parks: Kinder wollen herumtoben, wollen auch einmal schreien und einfach laut sein. Ältere Menschen wollen dagegen eher in Ruhe auf einer Bank sitzen oder zu Hause, bei offenem Fenster. Da braucht es Rücksichtnahme und gutes Miteinander.

Und es gibt Bereiche, wo sich die Bedürfnisse der Jüngeren und der Älteren treffen, vor allem wenn es um die Sicherheit auf der Straße geht. Alle Unfallstatistiken zeigen, dass diese beiden Gruppen die höchsten Opferzahlen beim Zu-Fuß-Gehen haben. Und so haben beide Gruppen hohes Interesse an allen Maßnahmen, die den Autoverkehr einbremsen.

WB: In Währing gab es in den letzten Jahren viele Maßnahmen, um Radfahren sicher und attraktiv zu machen. Ist da aus deiner Sicht noch etwas offen?

SN: Mit der jetzt durchgängigen Verbindung von Pötzleinsdorf zum Gürtel und auch bei den Querverbindungen zwischen 17. und 19. Bezirk sind wir gut unterwegs. Der wichtigste offene Punkt liegt jetzt nicht mehr im Bezirk, nämlich eine gute Verbindung vom Gürtel zum Ring. Vielleicht eröffnen sich da mit der U5-Baustelle beim Arne-Karlsson-Park neue Möglichkeiten.

WB: Wir haben viel über Mobilität gesprochen, mehr Grün im Bezirk und die Gestaltung im öffentlichen Raum. Welche Themen sind dir als Bezirksvorsteherin noch wichtig?

SN: Oh, viele. Wir haben das Kulturbudget wesentlich aufgestockt und unterstützen damit eine unglaubliche Vielfalt an Initiativen – Konzerte, Lesungen, Kinderaufführungen, Ausstellungen – in aller Regel mit freiem Eintritt. Weil wir der Überzeugung sind, dass zu einem guten Leben auch der Zugang zu Kunst und Kultur gehört.

Sehr wichtig ist mir auch die Kinder- und Jugendarbeit: Unser Jugendtreff ist ein wichtiger Anlaufpunkt für Jugendliche, gerade wenn sie Probleme haben und Vertrauenspersonen brauchen. Oder einfach einen Ort, wo sie Zeit verbringen können, miteinander kochen, spielen oder Filme schauen.

WB: Im letzten Jahr hat es ja auch einige Neuerungen gegeben?

SN: Ja, tatsächlich haben wir Neues ausprobiert. Zum Beispiel hatten wir im Sommer eine sogenannte Coole Zone im Festsaal der Bezirksvorstehung – ein kühler Ort, der allen zur Verfügung steht, um sich zwischendurch von der Hitze zu erholen. Und es war ein voller Erfolg: In den zwei Sommermonaten hatten wir über 1.000 Besuche! Und deshalb wird es die Coole Zone im kommenden Sommer jedenfalls wieder geben.

Und wir haben das erste Mal den Währinger Nachbarschaftstag ausgerufen: Über zwanzig Aktionen haben Währingerinnen und Währinger an einem Samstag im Mai für ihre Nachbarschaft veranstaltet. Und so werden wir auch dieses Experiment unbedingt wiederholen. Und so das gute Miteinander in Währing weiter stärken – eine wichtige Voraussetzung, um mit Krisen gemeinsam gut umzugehen.

WB: Was sind wichtige Herausforderungen für die nächsten Jahre?

SN: Neben der Klimakrise ist das im Moment wohl das wirtschaftliche Klima. Wir haben in Währing wirklich tolle Geschäfte, schöne Märkte, super Lokale. Und die müssen wir nach Möglichkeit stärken, denn auch die gute Nahversorgung ist ein wichtiger Baustein für die Lebensqualität Währings.

Und auch gestaltungsmäßig gibt es genug zu tun: Wir haben noch das Thema Aumannplatz offen – der Beteiligungsprozess hat ja einen starken Wunsch nach mehr Grün und weniger Verkehr gebracht. Da werden wir nach Verkehrszählungen in diesem Frühjahr wissen, welche Spielräume es für eine Umgestaltung gibt. Anfang 2027 werden die Bauarbeiten für die U5 beginnen. Auch da gilt es, Vorbereitungen zu treffen, damit die Baustelle gut verläuft und außerdem die Chance genutzt wird, danach ein grüneres, verkehrsberuhigtes Kreuzgassenviertel zu haben.

Und dann wollen wir uns auch der Gentzgasse und der Martinstraße widmen. Diese Straßen sind wichtige Verkehrsachsen – und gleichzeitig wünschen sich auch dort viele Menschen Verkehrsberuhigung und mehr Grün. Ich kann noch nicht sagen, ob wir da auf realistische Lösungen kommen, aber wir werden dem Zeit und Energie widmen.

WB: Viele betrachten derzeit die Entwicklung auf Bundesebene mit großer Sorge. Wie siehst du das?

SN: Ich bedaure es sehr, dass vor allem NEOS und ÖVP eine Dynamik in Gang gesetzt haben, die jetzt wahrscheinlich eine rechte Regierung unter Kanzler Kickl bringt. Und das bedeutet vermutlich den Übergang zu einer Politik der Spaltung und einer Verrohung von Sprache und Umgangsformen. Es drohen zukunftsvergessene Klimapolitik, reaktionäre Frauenpolitik, Sozialpolitik ohne Solidarität. Und ein zutiefst vergiftetes gesellschaftliches Klima. Und ja, das macht mir große Sorge.

WB: Gibt es auch etwas, das dich zuversichtlich in die Zukunft blicken lässt – und vielleicht auch uns?

SN: Ich bekomme immer wieder die Rückmeldung, dass Menschen anfangs nicht begeistert waren von einem Projekt, aber am Ende dann doch zufrieden sind mit dem Ergebnis. Und verstehen, warum wir das gemacht haben. Und das stimmt mich zuversichtlich: Dass es möglich ist, gemeinsam unser Zusammenleben zu gestalten. Dass wir in unserem Bezirk so viele sind, die gemeinsam Verantwortung übernehmen und tun, was uns möglich ist, und wir so gemeinsam unseren Bezirk zukunftsfit, noch lebenswerter und möglichst krisenfest machen.