Slalom auf der Währinger Straße

Ich weiß, ich bin damit nicht allein – trotzdem sei’s hier einmal festgehalten: Ich liebe die Währinger Straße. Diese Vielfalt an Geschäften, beste Beratung und alles, was man zum täglichen Leben braucht, in unmittelbarer Nähe – es gibt für mich keine bessere Einkaufsstraße in dieser Stadt.
Der einzige Schönheitsfehler: Sie ist für eine Einkaufsstraße ziemlich schmal. Straßenbahn, Parkspuren, Gehsteige – alles am unteren Limit. Vor allem auf den Gehsteigen geht es dann manchmal zu, wie in einem Jump-and-Run Computerspiel: entgegenkommenden Passantinnen ausweichen, gestressten Paketboten aus dem Weg springen, sich nicht von exaltiert einparkenden Autos anfahren lassen und bei all dem nicht gegen eine Stange rennen. Gegen eine Stange rennen? Oh ja, denn da gibt es jede Menge Stangen – für jede Menge Schilder: Schilder fürs Parken, Schilder fürs Parkverbot, Richtungspfeile, Gefahrenschilder, Vorrangregelungen, Werbeträger, Hinweistafeln. Streckenweise sind das mehr Stangen, als ein Schirennläufer beim Weltcup-Slalom zu bewältigen hat.
Und das, wo wir auf der Währinger Straße doch in Ruhe flanieren möchten, Auslagen schauen oder die Angebote vor den Geschäften prüfen. Anstatt permanent alle Hindernisse, die sich uns in den Weg stellen, im Blick zu haben. Das Unfairste daran: Die meisten Hinweise, die an besagten Stangen befestigt sind, betreffen uns Fußgänger*innen, Kinderwagen-Schieber*innen und Rollstuhlbenützer*innen gar nicht. Circa 95 % der Schilder, denen wir tagtäglich ausweichen, regeln den Autoverkehr. Weil sie aber auf der Fahrbahn oder in der Parkspur den Autos im Weg wären, stehen sie am Gehsteig.
Soweit, so ärgerlich. Und gleichzeitig unvermeidbar. Oder? Wie bei so vielen „Kleinigkeiten“ ließ auch dieses Thema meinem berühmt-berüchtigten Bezirkshausbesorgerinnen-Verbesserungsgeist keine Ruhe. Immer wieder fragte ich nach, ließ mir die Rahmenbedingungen, gesetzlichen Grundlagen und Spielregeln erklären – und wollte es dann irgendwann ganz konkret und genau wissen: ob es nicht doch möglich wäre, die Gehsteige, nun ja, ein wenig aufzuräumen.
Um das herauszufinden, war ein Lokalaugenschein nötig – und so machten wir uns auf den Weg: neben meiner Kollegin Anna und mir als wichtigste Person ein Vertreter der Verkehrsbehörde, und dazu gleich der für Verkehrszeichen zuständige Werkmeister und sein Kollege von der umsetzenden Firma.
Einmal die gesamte Währinger Straße vom Gürtel bis zum Aumannplatz hinauf und dann wieder hinunter. Jede Stange auf der Strecke haben wir uns genau angeschaut und geprüft: Wird das Verkehrszeichen noch gebraucht? Kann es vielleicht direkt an die Hausmauer versetzt werden? Kann das Halte- und Parkverbot-Schild durch eine barrierefreie gelbe Linie ersetzt werden? Und was ist eigentlich mit diesen vielen Werbe-Stangeln? Relikte aus einer Zeit, als es noch üblich war, überflüssige
Verkehrszeichen nicht wegzuräumen, sondern der Gewista für Werbezwecke zu überlassen.
Nun, wir waren uns allesamt einig, dass die Zeiten des Hindernisparcours Währinger Straße so schnell wie möglich Geschichte sein sollten. Und machten direkt vor Ort gleich Nägel mit Köpfen: Anna protokollierte zu jedem einzelnen Schild die besprochene Verordnungsänderung, der Vertreter der Verkehrsbehörde und die Verkehrszeichen-Meister markierten mit Farbspray die neue Platzierung von zu versetzenden Schildern, und ich notierte mir die Werbeflächen für einen Vorstoß bei der Gewista.
Das Ergebnis wenige Wochen später: Fünfundzwanzig Stangen sind wir auf der Währinger Straße insgesamt losgeworden und haben so jede Menge Platz zum Gehen, Einkaufen und Flanieren gewonnen. Ja, ich weiß, die Währinger Straßen-Slalom-Fans und Parcours-Athlet*innen werden jetzt vielleicht ein bisschen enttäuscht sein. Alle anderen können sich jedoch nun an einem wesentlich hindernisfreieren Vorankommen auf den Gehsteigen der Währinger Straße erfreuen. Genauso wie die Geschäftsleute, deren liebevoll gestaltete Auslagen nun wieder gewürdigt werden können, ohne nach gefährlichen Hindernissen Ausschau halten zu müssen.