Die unendliche (Klo)Geschichte

Im Jahr 2015, kurz vor meinem Amtsantritt als Bezirksvorsteherin, trug sich in Währing eine merkwürdige Geschichte zu. Ohne Vorankündigung, innerhalb kurzer Zeit verschwand ein Gutteil der öffentlichen WC-Anlagen im Bezirk: Aumannplatz, Währinger Park, eine im Türkenschanzpark, bei den U6 Stationen Michelbeuern und Währinger Straße und in der S-Bahn-Station Gersthof.
Die Beschwerden ließen nicht lange auf sich warten – und ich konnte sie gut nachvollziehen. Sind doch öffentliche WC-Anlagen gerade für ältere Menschen oder für Eltern mit Kleinkindern, letztlich aber für uns alle eine wichtige Infrastruktur fürs unbekümmerte Unterwegssein.
Ich zog also aus, um herauszufinden, was da los war. Und stellte fest, dass das ganze System hatte: Egal ob ÖBB, Wiener Linien oder Stadt Wien – überall erntete ich auf meine Nachfragen verständnisloses Kopfschütteln. Öffentliche WC-Anlagen? Warum wolle ich mir das antun? Ich solle doch froh sein, dass mein Vorgänger ihrer Demontage zugestimmt hätte, die würde doch kein normaler Mensch benutzen, wären nur etwas für Süchtige und Obdachlose.
Das konnte ich so nicht hinnehmen. Mit viel Lästig-Sein und Dran-Bleiben gelang es mir, eine neue WC-Anlage für den Währinger Park zu erkämpfen. Auf dem Aumannplatz konnten wir als Notlösung ein Mobilklo aufstellen – im Fall einer Neugestaltung steht eine neue WC-Anlage ganz oben auf der Liste. Und in die Planung für das neue U5- Stationsgebäude bei Michelbeuern konnte ich eine WC-Anlage hineinverhandeln.
Mit Abstand am langwierigsten gestaltete sich der Kampf um ein WC am Gersthofer Platzl: Die einzige vorhandene WC-Anlage in der S-Bahn-Station hatten die ÖBB im Zuge der Renovierung geschlossen. Die Modernisierung war ihnen zu kostspielig – der Nutzen aus ihrer Sicht nicht gegeben. Keine Chance.
Trotzdem musste eine Lösung her. Das Gersthofer Platzl ist ein hoch frequentierter Ort, tausende Menschen sind hier jeden Tag unterwegs zur Arbeit, in die Schule, zum Einkaufen. An so einem Ort braucht es einfach ein WC.
Ich begann mit der zuständigen MA48 zu verhandeln. Was wäre, wenn nicht die ÖBB, sondern sie das bestehende WC in der S45-Station betreiben würden?
„Interessante Idee“, brummte der zuständige Mitarbeiter.“ Und so starteten wir das Vorhaben. Gemeinsam mit MA48 und ÖBB wurden lang ein Umbau-Plan entwickelt, Kosten geschätzt, ein Mietvertrag aufgesetzt – nach über zwei Jahren Arbeit lag die Lösung am Tisch.
Bis sich der Kollege von der MA48 mit einem Räuspern zu Wort meldete. Sie hätten mittlerweile eine Richtlinie, die MA48 würde sich mit ihren WC-Anlagen nicht mehr in Fremdobjekte einmieten und der Vertrag deshalb platzen. Nun, was mir da fast platzte, war der Kragen. Zwei Jahre Arbeit und Verhandlungen, alles umsonst!
Um meinem erwartbaren Unmut zuvorzukommen, rückte er sogleich mit einem Plan B heraus: Im inneren Marktbereich gäbe es eine Nische, da könnte man eine WC-Anlage hineinbauen. Einziges noch bestehendes Hindernis: Eine Fläche in der Nische wäre noch vermietet. Dieser Mietvertrag würde schon in zwei Jahren auslaufen, dann könnte man die Toilette bauen, das wäre doch ganz wunderbar!
„Ja, ganz wunderbar“, antwortete ich ermattet und kochte mir erst einmal einen Tee. Weitere zwei Jahre abwarten und Tee trinken, dachte ich, ein Sprichwort, das wohl für zermürbte Bezirksvorsteherinnen erfunden worden ist.
Immerhin hatte ich jetzt ein konkretes Datum, dass ich all den vielen Menschen, die ich immer wieder vertrösten musste, sagen konnte: „Wann kommt denn endlich das WC?“ – „Wir müssen nur noch bis März 2021 warten – und dann wird das WC gebaut.“
Am 1. März rief ich gleich bei der MA48 an: „Wie sieht’s aus? Wann beginnen wir mit der Baustelle?“ Mein Gegenüber begann zu stottern: Man wisse auch nicht so genau, wie es hatte passieren können, aber durch einen Irrtum wäre der Mietvertrag noch einmal um zwei Jahre verlängert worden. Ich sagte nichts mehr und rührte nur noch stoisch in meinem kalten Tee.
Heute, neun Jahre nach der Schließung, können wir endlich feiern: Es war wohl das mühsamste Projekt in meiner bisherigen Zeit als Bezirksvorsteherin, aber jetzt ist es geschafft. Das Gersthofer Platzl hat wieder eine WC-Anlage.