Kein Platz für Spekulationsphantasien

Über 100 Jahre lang war die Semmelweis-Frauenklinik in Betrieb – es gibt kaum eine Familie in Währing, in der niemand dort entbunden hat oder selbst auf die Welt kam. Und so wird im Bezirk sehr aufmerksam verfolgt, was mit dem Gelände in Gersthof passiert.
Als Mitte der 2000er Jahre entschieden wurde, dass die Klinik perspektivisch ins neue Krankenhaus Nord umgesiedelt würde, begann der lange Kampf um die zukünftige Nutzung der Anlage. Die sechs denkmalgeschützten Pavillons würden Stück für Stück geräumt und damit zur „Wiederverwertung“ frei werden, dazu ein weitläufiges Areal in bester Lage – man kann sich ausmalen, welche Phantasien das am damals boomenden Immobilienmarkt weckte.
Es ging um Flächenwidmung und Verkauf, um Baurechtsvergaben und vertragliche Bestimmungen – Verfahren, bei denen der Bezirk keinerlei Entscheidungsmacht hat, aber doch ein Stellungnahmerecht. Das, wenn er es engagiert nutzt, manchmal doch einen Unterschied macht.
Begonnen hat die Sache nicht gut: Schon 2007 leitete der Gemeinderat ein Widmungsverfahren für das Areal ein – die bisherige Parkfläche sollte im nördlichen Teil in Bauland umgewandelt, die Baumöglichkeiten auch im restlichen Bereich erweitert werden. Ohne weitere Auflagen. Im Bezirk, damals noch ÖVP-regiert, stimmten wir GRÜNEN als einzige gegen diese Widmungsänderung, die der spekulativen Verwertung des Areals Tür und Tor öffnete.
Schon bald waren die Grundstücke im nördlichen Teil an diverse Bauträger vergeben, mittlerweile ist dieser Bereich entlang der Hockegasse komplett verbaut. Gleichzeitig wurde für die ersten drei frei gewordenen Pavillons der Einzug der AMADEUS International School Vienna gefeiert – ganz zur Tradition Wiens passend sollten dort die Meister*innen von morgen lernen.
Was weniger laut gesagt wurde: Dass die Immobilien an einen „Projektentwickler“ verkauft wurden – mit der vertraglichen Auflage, sie bis 2027 als Schulstandort zu betreiben. Und die Amadeus-Schule nur Mieterin war. Was nach Ablauf der Frist mit den Gebäuden passieren würde, war nicht geregelt. Ebenso unklar war, was mit den restlichen drei Pavillons passieren würde.
Nicht nur bei den direkten Anrainer*innen wuchs die Sorge, wie die Zukunft des Areals aussehen würde – eine „Gated Community“, ein geschlossenes Wohnareal für Superreiche, schien das wahrscheinlichste Szenario. Noch dazu, wo rund um die Eigentümer der Amadeus-Pavillons immer wieder Spekulationsvorwürfe und Insolvenzgerüchte laut wurden.
In dieser Situation wurde ich Bezirksvorsteherin. Sehr rasch suchte ich das Gespräch mit den Verantwortlichen für die Verwertung der verbliebenen Pavillons – auch wenn der Bezirk nicht in die Entscheidungen involviert sein würde, wollte ich doch das große Interesse Währings an einer Nutzung jenseits von Luxuswohnbau klarmachen.
Außerdem bat ich die damalige Stadträtin Maria Vassilakou, nach Wegen zu suchen, den immer wieder aufkommenden Spekulationsphantasien einen Riegel vorzuschieben. Und sie fand einen Weg: mit einer Widmungsänderung, die als Herzstück die Nutzung der Pavillons ausschließlich für Bildungs-, kulturelle oder soziale Zwecke festlegt.
Der Betrieb der Amadeus-Schule ist damit gesichert, die drei verbliebenen Pavillons sind mittlerweile von der Bundes Immobilien Gesellschaft (BIG) übernommen. Einer davon wird gerade für die Bundesschule für Sozialberufe umgebaut, und auch die anderen zwei werden wahrscheinlich in irgendeiner Form mit Bildung zu tun haben. Bezüglich der öffentlichen Durchwegung sind wir gerade in Verhandlung mit den Eigentümern und drängen auf rasche Umsetzung im Zuge der anstehenden Umbauarbeiten.
Besonders freut mich, dass die BIG einen der Pavillons zur künstlerischen Zwischennutzung freigegeben hat: Seit zwei Jahren ist dort ein selbstverwaltetes Kunst- und Kulturzentrum mit rund 40 Ateliers entstanden und nützt das Areal für unabhängige Kunstproduktionen. Und auch unser kunst.fest.währing hat dort eine vorübergehende Heimat gefunden. So ist aus einem potentiellen Spekulationsobjekt für Superreiche doch noch ein Ort für alle geworden.