Ein Bankerl für Opa

Ein Bankerl für Opa

„Opa du stehst immer im Weg!“ Mit einem ermatteten Lächeln blickt der ältere Herr seiner Enkelin hinterher und hebt entschuldigend die Hände. Seufzend denkt er an die Zeitung in seiner Tasche, und dass er sich liebend gern kurz hinsetzen und darin blättern würde, während seine Frau und sein Enkerl das Spielzeuggeschäft unsicher machen. Er schaut hinaus auf die Straße. Da, direkt vor dem Geschäft wäre doch ein ideales Platzerl für ein Bankerl. Er konnte sich schon richtiggehend darauf sitzen sehen, die Zeitung in der Hand, vielleicht mit einem Kaffee von gegenüber…

Es war mein zweiter Herbst als Bezirksvorsteherin. Die ersten Erfahrungen mit Projekten gemacht, voller Pläne für die Vorhaben des kommenden Jahres. Montag früh, acht Uhr. Ich kochte mir schnell noch einen Tee und war fertig für die erste Besprechung. Die MA31, Wiener Wasser, hatte sich angekündigt. Es gäbe Dringendes zu besprechen.

Der zuständige Referent erwartete mich schon im Besprechungszimmer. Er erzählte mir vom Programm der MA31, die alten, rohrbruch-gefährdeten Wasserleitungen der Stadt systematisch Stück für Stück zu erneuern. Um mir dann kurz und bündig mitzuteilen, dass im kommenden Frühjahr die Währinger Straße dran wäre. Vom Gürtel bis zum Aumannplatz, für ein halbes Jahr Riesenbaustelle.

Ich musste schlucken. Ein halbes Jahr Baustelle auf der Währinger Straße? Und das schon so bald? Kaum Zeit, die Geschäftsleute vorzubereiten. Und vor allem kaum Zeit, um sinnvolle Verbesserungen zu planen, die man gleich mit umsetzen könnte.

Um es kurz zu machen: Es war ein ziemlicher Kraftakt. Und wir haben es geschafft. Die Geschäftsleute wurden rechtzeitig informiert, wir haben einen Schienenersatzverkehr ausgehandelt (der war nämlich in der ursprünglichen Baustellenplanung nicht vorgesehen) und wir haben rechtzeitig zur Ausschreibungsfrist Planungen für substantielle Verbesserungen in der Währinger Straße vorgelegt: vierzehn neue Bäume als Schattenspender, bei den einmündenden Querstraßen mehr Sicherheit fürs Zu-Fuß-Gehen, die so wichtige Gehsteigverbreiterung bei der Straßenbahnstation vor dem Amtshaus und nicht zuletzt eine neue Ampelanlage bei der Kreuzung Martinstraße – mit Fußgängerampeln, die vorher so vielen abgegangen sind!

Und wir nutzten das Projekt, um endlich ausreichend Sitzmöbel aufzustellen – bis dahin eindeutig Mangelware in der Währinger Straße. Nicht gut für eine Geschäftsstraße, in der viele Menschen unterwegs sind, die zwischendurch auch mal einen Platz zum Ausruhen brauchen, zum Einkaufstasche-Abstellen oder um das Kind im Kinderwagen zu versorgen.

Aus der Vielfalt möglicher Straßenmöblierung entschieden wir uns für eine Mischung aus zwei Modellen: das klassische – mit Lehnen und Armstützen, ideal zum Hinsetzen und Wieder-Aufstehen für nicht so fitte Menschen. Und – gemäß dem mehrfachen Wunsch aus dem Jugendparlament – die coole Variante: farbig, lässig hingestellt, so, dass man auch gegenübersitzen und plaudern kann oder auch Kleinkinder mal darauf herumklettern.

Die Baustelle ging zu Ende, die neue Währinger Straße war fertig, im Großen und Ganzen alle zufrieden. Worüber wir nicht schlecht staunten: Gerade an den neuen Sitzmöbeln erhitzten sich die Gemüter. Von: „Wer soll sich denn da hinsetzen?“ bis zu „Was ist denn das für ein Plastikschmarrn?“ reichten die Beschwerden. Die wir gerne beantworteten, und immer wieder geduldig erklärten, warum Sitzmöbel für alle gerade auf einer Geschäftsstraße wichtig wären.

Die Bestätigung dafür erhielt ich eines Tages am Kutschkermarkt, als eine Dame mittleren Alters auf mich zukam. Sie müsse sich bei mir entschuldigen, meinte sie. Sie hätte unglaublich geschimpft über die Sitzmöbel in der Währinger Straße. Aber dann wäre sie schwer erkrankt, und in einer Zeit, als es ihr wirklich sehr schlecht ging, hätte sie ohne diese Bänke nicht mehr unterwegs sein können. Und jetzt wolle sie sich einfach nur bei mir bedanken.

Und wenig später erhielt ich auch noch die E-Mail von einem älteren Herrn. Neuerdings, so erzählte er mir, ließe es sich vor dem Spielzeuggeschäft ganz fantastisch Zeitung lesen, wenn er ein wenig Auszeit von Pokémon und Barbie beim Einkauf mit seiner Enkelin brauche…