Du entschuldige – i kenn’ di …

Währing ist ja für vieles bekannt, aber nur die wenigsten wissen, dass sich hier auch eine der romantischsten Wiener Liebesgeschichten zugetragen hat. Und wirklich schön für mich ist, dass wir von der Bezirksvorstehung ein ganz klein bisschen daran beteiligt sein durften…
Alles begann, wie so oft, mit einer E-Mail in meinem morgendlichen Posteingang.
Ausgerüstet mit einer guten Tasse Tee hatte ich mich gerade an dessen Bearbeitung gemacht, und blieb dann bei einer Nachricht hängen: Ein junger Mann namens Stefan stellte sich als Bewohner der Kutschkergasse vor. Als Anrainer hatte er die Informationen zu unserem Projekt im Grätzl rund um den Kutschkermarkt erhalten – die Erweiterung des Marktes, die Begrünungsmaßnahmen – und da hakte er ein. Er würde gerne die Patenschaft für einen der neuen Bäume übernehmen – ob das denn möglich wäre.
Für mich ist es immer besonders schön, wenn sich Menschen mit ihrer Nachbarschaft, mit ihrem Grätzl so identifizieren, dass sie sich engagieren und mitmachen wollen – ob das nun ein finanzieller Beitrag ist, ob sie Neupflanzungen mit Gießen und Pflege unterstützen oder eine Grätzloase aufstellen. Genau dieses Engagement macht einen guten Teil des positiven Lebensgefühls in Währing aus.
Ich freute mich also über die Anfrage – und weil Stefan auch eine Telefonnummer angegeben hatte, griff ich gleich zum Hörer.
Ich fände seine Idee super, begann ich das Gespräch, er müsse sich allerdings noch etwas gedulden: Die Bauarbeiten würden erst in einigen Wochen beginnen, dann müssten wir als erstes eine alte Wasserleitung tauschen, dann die Straßenbauarbeiten erledigen: Kreuzungsbereiche anheben, Gehsteige vorziehen, Strom-, Wasser- und Kanalanschlüsse für den erweiterten Markt verlegen, das erweiterte Marktgebiet pflastern und nicht zuletzt die Baumstandorte herstellen. Das alles würde mehrere Monate dauern – und erst dann, ganz zum Schluss, ginge es ans Bäume-Pflanzen.
Stefan reagierte gelassen, er hätte keine Eile. Denn die Geschichte, warum er diesen Baum stiften wollte, hätte auch viel mit Geduld zu tun – mit Geduld und Abwarten-Können. Und mit der Liebe. Neugierig geworden, bat ich ihn, mir ein bisschen mehr zu erzählen, und während ich zuhörte, bemerkte ich gar nicht, dass mein Tee in der Zwischenzeit längst ausgekühlt war.
Er wohne noch gar nicht so lange im Grätzl, begann Stefan seine Geschichte. Und gerade am Anfang, um seine neue Gegend besser kennenzulernen, sei er oft ins sympathische Lokal gegenüber gegangen. Dort gab es nicht nur feines Essen und gutes Bier, sondern auch jede Menge nette Gäste, mit denen er sich schnell anfreundete. So hätte er sich im Handumdrehen im Bezirk eingelebt und wohl gefühlt. An sich alles perfekt, nur das mit der Liebe hätte noch gefehlt zu seinem Glück.
Hin und wieder hätte er sich an seine heimliche Liebe aus Studienzeiten erinnert – eine Studienkollegin, die er unglücklicherweise aus den Augen verloren hatte. Alle Versuche, an ihre Kontaktdaten zu kommen und sie wiederzufinden, wären fehlgeschlagen, und er hätte sich schon damit abgefunden, dass er diese Chance des Lebens wohl verpasst hatte.
Doch dann, eines Abends in seinem Stammlokal, öffnete sich die Tür und ein Windstoß wehte eine Traube an vergnügten Menschen ins Lokal. Während er noch die Neuankömmlinge musterte, die sich gerade nach einem freien Tisch umsahen, legte ihm jemand die Hand auf seine Schulter:
„Hallo, bist du öfter hier?“ Er drehte sich um – und tatsächlich: Es war seine ehemalige Studienkollegin, die plötzlich lächelnd vor ihm stand.
„Er wohnt quasi hier“, sprang der Barkeeper für den völlig überrumpelten Stefan ein. „Gut zu wissen – bis bald!“, strahlte sie ihn an, bevor sie zum Tisch mit ihren Freunden wechselte.
Von da an trafen sich die beiden immer öfter in ihrem Lieblingslokal und dann, irgendwann, wohnten sie gemeinsam in der Wohnung gegenüber.
Nach mehreren Monaten Baustelle habe ich mich dann bei Stefan gemeldet, und an einem sonnigen Nachmittag hat er den Baum gemeinsam mit den Gärtnern gepflanzt.
Und wenn die beiden heute aus dem Fenster schauen, dann sehen sie dank Stefans Initiative nicht nur „ihr“ Lokal, sondern nun auch „ihren“ Baum. Der ihnen hoffentlich lange Freude machen wird.