Das Holzpferd und warum Erwachsene manchmal einfach gar nichts verstehen

Das Holzpferd und warum Erwachsene manchmal einfach gar nichts verstehen

Erwachsene verstehen manchmal einfach gar nichts. Das ist, auf die Schnelle zusammengefasst, eine meiner wichtigsten Lehren aus dem Währinger Kinderparlament.

Ausführlicher formuliert: Wir Erwachsene können beim besten Willen nicht immer einschätzen, was Kindern warum wie wichtig ist. Und ganz besonders gilt das für Spielplätze – jene Freiräume in der Stadt, die sich die Kinder aneignen, wo sie ihre Freizeit verbringen, mit Freunden herumtoben, ihre eigenen Spiele erfinden und auf besondere Weise auch zuhause sind.

Und so kann es dann passieren, dass wir ein in die Jahre gekommenes und morsch gewordenes Spielgerät aus Sicherheitsgründen entfernen lassen, ohne daran zu denken, dass dieses verwitterte Ding für die Kinder nicht potentielle Gefahr ist, sondern Bestandteil ihres Spielalltags und ihnen vielleicht sogar ans Herz gewachsen.

So geschehen beim alten Holzpferd im Schubertpark: Können Sie sich noch erinnern? Mit der Neuanlage des Spielplatzes nach dem Bau der Tiefgarage bezog es seinen Platz – und hatte zum Zeitpunkt des Geschehens schon an die zwanzig Jahre auf dem Buckel. Tag für Tag Wind und Wetter ausgesetzt, zeigte es heftige Anzeichen von Altersschwäche. Wir machten uns schon länger Sorgen um das Tier, letztendlich fällte dann die Spielplatzkontrolle, verantwortlich für die Sicherheit der Spielgeräte, das Urteil: Das treue Tier musste seinen Dienst am Spielplatz beenden und ins Ausgedinge in den Pötzleinsdorfer Schloßpark, wo ausrangierte Spieltiere ihren Lebensabend als Kameraden für die dortigen Ziegen und Schafe verbringen.

Ich hielt das nicht für weiter schlimm – gab es doch genug andere Geräte am Spielplatz, und wem würde so ein simples Holzpferd, mit dem man nichts anderes anfangen konnte, als sich draufzusetzen und so zu tun, als würde man reiten – wem würde das schon abgehen?

Schwerer Fehler. Kaum war der alte Gaul abmontiert, ließen die Proteste nicht lange auf sich warten. Die ersten Einwände übermittelten uns die Jugendarbeiter*innen der Parkbetreuung, und bald schon folgte im Kinderparlament ein offizieller Antrag auf Rückkehr des abmontierten Pferdes.

Vor allem die Mädchen wollten ihren Freund zurück – ihr Pferd, dem sie schon auf dem Weg in die Schule zugewinkt und das sie dann am Nachmittag für einen Ausritt besucht hatten, Protagonist so vieler Spiele, die sie sich immer von neuem ausgedacht hatten.

Nun war guter Rat teuer: Das alte Pferd war nicht zu reparieren – das konnten wir den Kindern schon erklären (und ich war sehr froh, dass wir es nicht einfach entsorgt hatten, sondern sie es eben im Ausgedinge besuchen konnten). Doch dann war klar: Ein neues Pferd muss her!

Und das war, so stellte sich heraus, gar nicht so einfach: Denn solche Holztiere haben die Spielgerätehersteller in der Regel nicht im Sortiment, es ist aufwändige Schnitzarbeit, und die muss erstmal jemand können.

Nach längeren Recherchen hatte der Kollege der Wiener Stadtgärten dann doch Holztiere aus dem Katalog aufgetrieben. Stolz legte er mir die Abbildungen vor – ich stutzte kurz, und schüttelte dann ungläubig den Kopf: Diese plumpen Körper, irgendwie würfelförmig mit abgeschrägten Ecken und einer Rüsselschnauze – das waren Wildschweine! Die konnten wir den Kindern doch beim besten Willen nicht als Ersatz für das Pferd verkaufen, das hatte sogar ich als Erwachsene kapiert!

Also machten wir uns weiter auf die Suche. Und beim zweiten Anlauf landete der Kollege dann den richtigen Treffer: Er hatte alle Spielgerätehersteller durchgerufen – und einer von ihnen hatte tatsächlich einen freien Mitarbeiter, der sich mit Schnitzarbeit auskannte. Und der uns dann letztendlich nach Fotos vom alten Holzpferd ein neues schnitzen konnte.

Einige Wochen später wurde das Pferd geliefert und am Spielplatz im Schubertpark aufgestellt. Wir luden die Klasse, die mit ihrem Antrag den Stein ins Rollen gebracht hatte, zur Begrüßungsfeier für das neue Pferd – und spätestens als ich sah, mit welcher Begeisterung der neue Spielgefährte willkommen geheißen wurde, hatte sich die ganze Mühe mehr als gelohnt.