Das fliegende Klo

Eine langjährige Bewohnerin aus der Nachbarschaft hat es einmal so formuliert: „Der Johann-Nepomuk-Vogl-Platz war für mich viele, viele Jahre wie ein uneingelöstes Versprechen. Immer dieses Gefühl, der könnte mehr – und dann ist doch wieder jahrelang nichts passiert.“
Mit diesem Befund war sie nicht alleine: Schon 1923 verwies das Währinger Heimatbuch auf den Platz als ein „abschreckendes Beispiel“, dessen Gestaltung nicht dazu angetan sei, „als Ruhepunkt im Straßenleben zu dienen, zum Verweilen einzuladen.“ Und diese Situation hatte sich über die Jahrzehnte nicht verbessert. Zuletzt waren auch noch die Müllinsel ins Platzinnere verlegt und eine WC-Anlage mitten auf den Platz gesetzt worden – damit war das Hinterhof-Feeling einzementiert.
Gleichzeitig war immer auch der Charme des Platzes spürbar: die alten Bäume, die vom Straßenlärm abgeschirmte Ruhe, einzelne unglaublich engagierte Marktstandler*innen. Und eine der wenigen Freiflächen im Kreuzgassenviertel, diesem dicht verbauten Grätzl, das in der Gründerzeit vor dem Ersten Weltkrieg hochgezogen worden war.
Naheliegend also, dass wir dem Platz endlich eine Chance geben wollten. Aber wie die Sache angehen, so, dass es nicht neuerlich in Enttäuschung münden würde?
Wir begannen mit den Basics: eine Studie gemeinsam mit Stadt Wien und Wirtschaftsuniversität zur Alltagsökonomie rund um den Platz. Und ein mehrere Wochen laufender Beteiligungsprozess, um herauszufinden: Was mögen die Menschen an dem Platz? Was funktioniert nicht? Und was wäre dringend zu ändern?
Schnell war klar: Wie die eingangs erwähnte Nachbarin mochten die Menschen diesen Platz, und waren gleichzeitig unglücklich mit ihm. Sie wünschten sich mehr Grün, eine ansprechendere Gestaltung und bessere Nahversorgung. Und was von ganz vielen kam: dass der Vogl-Platz als Platz für alle weiter funktionieren solle, mit Lokalen vom Tschocherl bis zum Bio-Lokal, wo Student* innen mit Obdachlosen Tischtennis spielen – dieser Spirit dürfe keinesfalls verloren gehen.
Ausgestattet mit diesem Auftrag machten wir uns auf die Suche nach einem Planungsbüro. Das war in diesem Fall gar nicht so einfach, denn die Rahmenbedingungen waren eng gesetzt: Auf nicht einmal zweieinhalbtausend Quadratmetern sollten ein Kinderspielplatz, Marktstände und Schanigärten, die alten Bäume plus mehr Grün, WC-Anlage, Tischtennis und dann auch noch eine Fläche für Veranstaltungen untergebracht werden.
Zum Glück fanden wir letztlich Profis, die den Johann-Nepomuk-Vogl-Platz persönlich kannten und sich ihm mit viel Gespür und vielen liebevollen Details näherten: zusätzlich zum Spielplatz das Wasserspiel – im Sommer die große Attraktion für Kinder wie Erwachsene. Zum schon vorhandenen Tischtennistisch ein zweiter, beide nahezu immer belegt. Sitzdecks rund um die neuen Bäume und Grünflächeneinfassungen als Sitzmöbel gestaltet – neue Nutzungsmöglichkeiten, ohne viel Platz in Anspruch zu nehmen. Und damit genug Freiraum für Initiativen von Tango-Flashmob bis zu Filmabenden und Konzerten.
Und obendrauf gab’s noch zwei technische Gusto-Stückerln: Erstens war da ja das leidige Klo mitten am Platz. Ein neues zu bauen hätte das ohnehin angespannte Projektbudget mehr als gesprengt – aber dieses war zum Glück ein Container, mit einem Haken obendran. Und so konnten wir das acht Tonnen schwere WC mittels Kran in einer spektakulären Aktion über unsere Köpfe und die Bäume hinweg anheben und an seinen neuen Standort am Rand des Platzes gleichsam fliegen lassen.
Und dann ist da noch die Schwammstadt – unsichtbar und doch einigermaßen spektakulär: unter dem Platz mehrere Schotterschichten, die das Wasser von Wasserspiel und Regen wie ein Schwamm aufnehmen und den neuen Bäumen in trockenen Perioden abgeben. Einfach genial – ich komm jedes Mal ins Schwärmen, wenn ich davon erzähle.
Dazu eine neue Straßenbahnhaltestelle direkt am Platz, ein wöchentlicher kleiner Bauernmarkt, ein Bücherschrank. Der Johann-Nepomuk-Vogl-Platz hat sein Versprechen endlich eingelöst und ist das Wohnzimmer der Nachbarschaft, das er schon immer sein wollte. Wo alle gerne hingehen, um ihren Feierabend zu genießen, denn es ist auch weiterhin – und da klopfe ich auf Holz, dass es noch lange so bleiben möge – ein Platz für alle.