Damit Frechheit manchmal doch nicht siegt

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 hat die Immobilienwirtschaft Währing entdeckt: beliebter Wohnbezirk, viel Grün, beste Lagen. Da wird viel gebaut, da gibt es viel zu verdienen – und es verblüfft mich immer wieder, wie viel Dreistigkeit dabei zuweilen an den Tag gelegt wird.
Die Möglichkeiten der Einflussnahme von Seiten des Bezirks sind gering. Wir haben das Recht, zu den diversen Bauvorhaben Stellungnahmen abzugeben – allerdings muss die Baubehörde diese in keinster Weise berücksichtigen, und es braucht ganz schön viel Expertise, damit die Behörde zumindest in manchen Fällen nicht so einfach daran vorbeikommt.
Ein wirklicher Glücksfall, mit meinem Stellvertreter Robert Zöchling einen Fachmann zu haben, der mit viel Akribie und Hartnäckigkeit dann doch das eine oder andere Mal verhindert, dass Frechheit siegt.
Da war zum Beispiel dieses Bauprojekt in Pötzleinsdorf, schon an der Grenze zum Wienerwald. Laut Baubehörde ein einfaches, schon genehmigungsreifes Projekt. Aber wenn er unbedingt wolle, dann könne Robert gerne noch einen Blick darauf werfen.
Er wollte – und fand sich einem ungefähr dreißig Zentimeter hohen Papierstapel gegenüber: Pläne für sechs große Baublöcke, die auf dem Grundstück errichtet werden sollten. Robert begann mit der sorgfältigen Durchsicht der Unterlagen – und kam aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus:
Trotz schwieriger Hanglage sollte jeder nur irgendwie verfügbare Quadratmeter des Grundstücks verbaut werden. Das Problem dabei – und jetzt wird’s ein bisschen fachlich: Die Flächenwidmung schreibt für das Grundstück offene Bauweise vor, das heißt, die einzelnen Baukörper müssen eigenständig und mit einem gewissen Abstand errichtet werden. Dieser war zwar auf dem Papier im Minimum eingehalten, allerdings hätten die schmalen Streifen von einem Haus zum nächsten jeweils ein dermaßen steiles Gefälle aufgewiesen, dass dort niemand jemals würde durchgehen können. Das heißt, direkt an der Grenze zum Wienerwald wäre ein ca. 125 Meter langer Bauriegel entstanden! Inklusive Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhe ein Unding, und jedenfalls eine Umgehung der Intention des Flächenwidmungs- und Bebauungsplans.
Robert setzte alle Hebel in Bewegung, um dieses überschießende Bauprojekt zu verhindern, bestand auf der Beiziehung der Kollegen von der Flächenwidmungsabteilung, und diese schlossen sich seiner Sichtweise an. Noch bevor eine endgültige Entscheidung von Seiten der Behörde getroffen war, wurde es dem Bauträger zu mühsam – das Grundstück wurde verkauft, der neue Eigentümer wird das Projekt nicht weiterverfolgen.
Oft unterstützt Robert mit seiner Expertise auch Nachbar*innen bei der Geltendmachung ihrer Anrainerrechte. Sie haben wesentlich mehr Möglichkeiten als der Bezirk, rechtlich relevante Einwendungen zu machen. Doch scheitern sie häufig daran, dass die Projektpläne für Laien meist abstrakt sind und damit die Auswirkungen für sie nicht nachvollziehbar.
So geschehen beispielsweise bei einem Projekt zwischen Hockegasse und Franz-Barwig-Weg: Eine Wohnhausanlage soll leicht abgetreppt in den Hang hineingebaut werden, inklusive Tiefgarage – von der Einfahrt in der Hockegarage über 15 Meter Autoaufzug in den Hang hinein zu erreichen.
Was die Pläne nicht ohne weiteres erkennen ließen: Für so ein abenteuerliches Bauvorhaben braucht es eine massive Baugrubensicherung. Durch den Einsatz der dafür notwendigen Bohrpfähle würden Wurzeln und Kronen der prächtigen alten Schwarzföhren, die unmittelbar an der Grundstücksgrenze am Nachbargrundstück stehen, unwiederbringlich zerstört – die Bäume würden das nicht überleben.
Auf Basis dieser Informationen machten die Anwohner*innen Einwendungen, das Verfahren läuft noch. Und für die entscheidenden Instanzen sind jetzt zumindest die Konsequenzen des Projekts am Tisch.
Das braucht alles Zeit und manchmal fast detektivische Fähigkeiten. Und bei manchen Projekten taucht schon die Frage auf, warum nicht die Baubehörde selbst, bei aller Überlastung durch die zugegebenermaßen zahlreichen und komplexen Verfahren, den Immobilienentwicklern genauer auf die Finger schaut. Denn eigentlich wäre das ihre Aufgabe – und nicht jeder Bezirk hat das Glück, einen Robert Zöchling im Team zu haben.