Babsi braucht ein Markisenzertifikat

Sobald es meine Zeit erlaubt, versuche ich, raus aus dem Büro zu kommen und im Bezirk unterwegs zu sein: bei den aktuellen Baustellen vorbeischauen, jüngst in Betrieb genommene Veränderungen inspizieren, überprüfen, ob das beauftragte Bankerl schon steht. Gerne schaue ich auch bei Geschäften und Lokalen vorbei – von den Betreiber*innen erfahre ich meist, was gerade Thema im Grätzl ist, wo es vielleicht hakt und auch, was ihnen selbst gerade das Leben leicht oder schwer macht.
So führte mich eines Tages meine Grätzl-Tour wieder einmal ins Espresso Babsi, in der Kreuzgasse seit vielen Jahren fester Bestandteil der lokalen Beislszene. Das kleine Lokal ist bei seinen Gästen sehr beliebt. Es ist gemütlich, man ist unter Freunden, und Babsi und ihr Mann Thomas Langmaier haben immer einen Schmäh parat. Und seit wir den Gehsteig verbreitert haben, ist außerdem Platz für einen kleinen Schanigarten.
Bei meinem Besuch fand ich die sonst so fröhliche Betreiberin dieses Mal verzweifelt vor. Sie hatte sich vor kurzem eine Markise angeschafft, um ihren Schanigarten im Sommer angenehm zu beschatten. Doch was zum Wohl ihrer Gäste gedacht war, entpuppte sich nun als veritable, existenzbedrohende Katastrophe!
Denn kaum hatte sie die Markise das erste Mal ausgerollt, gab es auch schon eine Anzeige von der zuständigen Behörde: Ihr Sonnenschutz sei brandschutztechnisch nicht bewilligt und sie müsse deswegen ihr Lokal umgehend schließen.
Erst langsam dämmerte der Wirtin, was für ein Problem sie sich eingehandelt hatte: Ihr war nicht klar gewesen, dass Betriebe aus Sicherheitsgründen für alles, was straßenseitig montiert oder aufgestellt wird, eine spezielle Genehmigung brauchen und bei Neuanschaffungen dem Amt diesbezüglich detaillierte Unterlagen vorgelegt werden müssen. Sie hatte ihre Markise nachhaltig aus zweiter Hand im Internet erstanden und keinerlei offizielle Zertifikate in der Hand, um sie dem Magistrat vorzulegen. Ein Schock für Babsi Langmaier. Sie wollte doch nur das Beste für ihre Gäste und nun sollte sie schließen müssen?
Genau für solche Fälle habe ich einen unserer Bezirksräte, Guido Schwarz, als Nahversorgungsbeauftragten nominiert: Selbst als Unternehmer tätig und außerdem in der Wirtschaftskammer aktiv, weiß er um die Schwierigkeiten bei Bewilligungen und Genehmigungen. Wenn einer eine Lösung in verzwickten bürokratischen Angelegenheiten findet, dann er.
Sofort machte er sich auf den Weg ins Espresso Babsi und untersuchte zusammen mit der engagierten Wirtin die Markise auf Hinweise nach Fabrikat und Hersteller. Was die beiden finden konnten, war ein klein aufgedruckter Firmenname. Sie hatten ihre allererste Spur!
Nach ausführlicher Internetrecherche fand Guido schließlich die betreffende Firma in Tirol. Er klemmte sich ans Telefon und landete nach einigen fruchtlosen Telefonaten bei einer Mitarbeiterin, die ihm einen weiteren Puzzlestein für seine Recherche geben konnte: Ihre Firma wäre zwar nicht der direkte Produzent der Markisen, sondern nur die Händlerfirma, aber wenn Guido herausfinden könnte, um welches Markisenmodell es sich handle, könnte sie ihm vielleicht weiterhelfen.
Gesagt, getan! Mein lieber Kollege schwang sich wieder aufs Rad und vertiefte sich zusammen mit Barbara Langmaier in die Stoffbeschaffenheit und die Eigenschaften der Markise. Anschließend begann er wiederum im Internet in bester Columbo-Manier, alle in Frage kommenden Markisen-Modelle der letzten Jahre mit dem aus dem Espresso Babsi zu vergleichen, solange, bis er das Modell und den zugehörigen Stoff tatsächlich eindeutig identifiziert hatte.
Erneuter Anruf bei der Tiroler Firma. Nun war es an der freundlichen Mitarbeiterin, sich ihrerseits aufzumachen und das offizielle Prüfblatt für das nunmehr identifizierte Markisenmodell zu beschaffen. Darauf ist ausgewiesen, dass die Markise ausreichend brandhemmend ist und keinerlei feuerpolizeiliche Bedenken bestehen.
Mit diesem Zertifikat in der Hand konnte Babsi Langmaier nachweisen, dass ihre Markise den Vorschriften entspricht und die Anzeige wurde zurückgezogen. Und wir können nun auch an heißen Sommertagen vor dem Espresso Babsi ein kühles Getränk im Schatten einer wahrlich legendären Markise genießen.