Stadt für die Menschen, nicht fürs Auto

Stadt für die Menschen, nicht fürs Auto

In den vielen Gesprächen rund ums Parkpickerl hab ich gemerkt, dass die Vorstellungen von Stadt höchst unterschiedlich sind.

Für manche Menschen ist Stadt einfach die Verbindung vom Parkplatz zu Hause zum Parkplatz beim Büro, vom Büro-Parkplatz zum Parkplatz beim Supermarkt oder Fitness-Center und von dort wieder zurück zum Parkplatz zu Hause. Die Stadt ist fürs Auto da – für die Fortbewegung damit und dafür, es jederzeit und überall abstellen zu können.

Für andere ist Stadt, wo Menschen auf der Straße unterwegs sind, einkaufen gehen, einander treffen und plaudern, wo Plätze, Straßen und Parks gemeinsam genutzt werden, wo Geschäfte, Kaffeehaus, Schule, Arbeit und Kultur ohne Auto erreichbar sind.

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Sobald wir das Haus verlassen, sobald wir uns auf der Straße befinden, beginnt das, was „öffentlicher Raum“ genannt wird. Ob wir uns in einem Grätzl wohlfühlen oder nicht, wie wir uns in der Stadt bewegen, ob wir sie als unseren Lebensraum oder als unwirtlichen Ort erleben – das hängt vor allem davon ab, wie’s da draußen ist.

Es macht einen Unterschied, ob ich mein Kind hinaus laufen lassen kann, weil es den Weg zum nächsten Spielplatz schon so gut kennt, oder ob ich es dazu erziehen muss, das Haus nur an meiner Hand zu verlassen, weil auf der Straße tödliche Gefahr droht.

Es macht einen Unterschied, ob ich auf dem Weg zur nächsten Straßenbahnstation auf breiten Gehsteigen an Schanigärten und Grünflächen vorbeikomme, zwischendurch mal bei einer Auslage stehen bleiben kann und schnell etwas besorge, oder ob ich mich zwischen Hausmauer und Schrägparkern, vorbei an leeren Auslagenscheiben entlangdrücken muss.

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Es macht einen Unterschied, ob meine betagte Tante ihren Einkauf ums Eck selbst erledigen kann, zwischendurch auf der Straße mit ihrer Nachbarin schwatzend, oder ob die vorbeirasenden Autos zu laut, der nächste Supermarkt zu weit und die Ampelphase beim Straße-Überqueren für alte Menschen schlicht zu kurz ist.

Es gab eine Zeit, in den 1960er und 1970er Jahren, da war die autogerechte Stadt der Inbegriff von Modernität. Boulevards wie der Gürtel oder in Währing die Gersthofer Straße wurden zu autobahn-artigen Schneisen quer durch die Stadt, und dort, wo vorher Platz für Zu-Fuß-Gehen, Radfahren, Kinderspiel und Erwachsenen-Aufenthalt war, waren plötzlich immer mehr und noch mehr Autos.

Heute sind das Konzepte von vorgestern. Wir kennen den Preis – und er ist zu hoch. Wenn wir gemeinsam in der Stadt gut leben wollen, dann brauchen wir eine Stadt für die Menschen, nicht fürs Auto.