Währing: hilfsbereit und solidarisch
(05.10.2020) Währing hat sowohl in der Krise der Balkankriege als auch angesichts der Fluchtbewegung 2015, ausgelöst durch den Bürgerkrieg in Syrien, Hilfsbereitschaft und Solidarität bewiesen. Letzte Woche durfte ich zwei der Menschen treffen, die 2015 nach Österreich gekommen sind und in unserem Bezirk Aufnahme und Unterstützung gefunden haben:
Sarkis Bedrosian (Name geändert) erzählt davon, wie er und seine schwangere Frau nach langer, mühseliger Flucht in Wien gelandet sind. Und auf Herbergssuche waren. Die sie letztendlich nach Währing geführt hat. Er erzählt, wie er sich relativ bald als Dolmetscher vom Arabischen ins Englische nützlich machen konnte. Mittlerweile dolmetscht er auch zwischen Arabisch und Deutsch, seine Frau ist IT-Spezialistin. Und ihr hier auf die Welt gekommener Sohn, erzählt er, gehe mittlerweile in den Kindergarten und entwickle sich großartig.
Houda Alali und ihr Mann sind auch seit damals in Wien. Er Biochemiker, sie Pharmazeutin, mussten sie beide ihre Ausbildung mehr oder weniger von vorne beginnen – waren doch die meisten Unterlagen Krieg und Flucht zum Opfer gefallen. Mit der Unterstützung von Währinger FreundInnen haben sie es geschafft. Mittlerweile ist sie zugelassene Apothekerin, er steht kurz vor dem neuerlichen Abschluss. Und sie freuen sich an ihrer kleinen Tochter, die hier geboren ist und gerade ihre ersten Schritte macht.
Die Hilfsbereitschaft und Solidarität, die Sarkis und Houda in Währing erfahren haben, wird es auch geben, wenn Österreich sich endlich bereit erklärt, Flüchtlinge aus dem ehemaligen Lager Moria aufzunehmen. Und ich bin sehr froh, dass die Währinger Bezirksvertretung mehrheitlich bekräftigt hat, diese Hilfsbereitschaft und Solidarität zu unterstützen und zu fördern. Weil dies das grundlegende Fundament einer menschlichen Gesellschaft und damit eines lebenswerten Bezirks ist.
Mit der Weigerung der ÖVP, Menschen, ja nicht einmal Kinder aus Moria aufzunehmen, wird dieses Fundament in Frage gestellt. Diese Weigerung ist eine Schande für unser Land. Wir Grüne lassen keinen Zweifel daran, dass wir das so sehen, und wir machen auf allen Ebenen Druck und suchen Verbündete, um das zu ändern. In Wien haben SPÖ, GRÜNE und NEOS einen Antrag beschlossen, dass Wien 100 Kinder aus Moria aufnehmen würde. Und in der Währinger Bezirksvertretung wurde letzte Woche oben erwähnte Resolution von GRÜNEN, SPÖ und NEOS beschlossen.
Warum die Grünen im Parlament trotzdem gegen den Antrag auf Aufnahme gestimmt haben? Weil Politik immer unter realen Machtverhältnissen stattfindet. Weil der Antrag auch mit den Stimmen der Grünen in der Minderheit geblieben wäre. Und gleichzeitig ein Mitstimmen der Grünen der ÖVP die Legitimation geliefert hätte, Fragen von Asyl, Flüchtlingen, Migration ab sofort als koalitionsfreien Raum zu behandeln. Und gemeinsam mit der FPÖ Beschlüsse zu fassen. Die haben nämlich gemeinsam die Mehrheit.
Und ja, wir könnten auch aus der Koalition aussteigen. Dann gäbe es entweder den fliegenden Wechsel der Kurz-ÖVP zur FPÖ oder Neuwahlen. Wer danach eine nicht-rechte Mehrheit im Nationalrat für wahrscheinlich hält, möge das fordern – ich tu’s nicht.
Ich weiß, es ist unbefriedigend. Ich weiß, es ist übel. Gerade wenn man mit Menschen wie Sarkis oder Houda spricht. Aber lieber in dieser Koalition die dicken Bretter für einen sozialen, ökonomisch intelligenten und ökologisch zukunftsfähigen Umgang mit der Corona-Krise, für völkerrechts- und menschenrechtskonforme Asylpolitik und endlich Klimaschutz bohren, als aufrechten Hauptes den Rechten wieder das ganze Spielfeld zu überlassen.