Was ist die Verantwortung von Politik? – Meine Rede zur Angelobung

Am 27. April 2025 hat Währing entschieden: Für mehr Grün im Bezirk! Ich freue mich von Herzen über das Wahlergebnis. Es zeigt, dass unsere Arbeit für ein lebendiges, lebenswertes und zukunftsfittes Währing von vielen Menschen im Bezirk unterstützt wird. Und dass viele Menschen sich weiterhin mutige Entscheidungen wünschen und dass die Herausforderungen unserer Zeit ernst genommen werden.
In der konstituierenden Sitzung der Währinger Bezirksvertretung am 24. Juni 2025 habe ich daher als wiedergewählte Bezirksvorsteherin genau dazu gesprochen: über die Verantwortung von Politik, welche Schritte wir in Währing bereit gesetzt haben und welche noch vor uns liegen. Hier finden Sie meine Rede in voller Länge:
Sehr geehrte Mitglieder der Bezirksvertretung, liebe Frau Stadträtin, liebe Gäste – hier im Saal und per Livestream,
es ist heute zum dritten Mal, dass ich als Bezirksvorsteherin von Währing angelobt wurde.
Wir haben Währing in den vergangenen 10 Jahren gemeinsam ein ganzes Stück lebendiger, bunter und vor allem zukunftsfähiger gemacht – und ich freue mich, dass die Währingerinnen und Währinger diesen Weg bei der Wahl am 27. April ein weiteres Mal klar bestätigt und ihm so unglaublich viel Rückenwind gegeben haben.
Dieses Wahlergebnis ist Bestätigung – und es ist gleichzeitig einmal mehr Verantwortung und Auftrag.
Nur: Was ist die Verantwortung von Politik– im Jahr 2025?
„Dieser Sommer könnte nicht nur zu den heißesten der vergangenen Jahre gehören, sondern auch zu den kühlsten der kommenden Jahrzehnte.“ – So lautet die Warnung eines Berichts von Klimaforschern, die gerade nachgewiesen haben, dass die Temperaturen um einiges schneller steigen als bisher angenommen.
Letzte Woche wurde der 2. Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel präsentiert. Auf ca. 800 Seiten erfassen 200 namhafte Forschende den aktuellen Wissensstand zu Klimakrise und Klimapolitik in Österreich. Der Bericht schließt mit der Aussage:
In rechtsstaatlichen Gesellschaften sind viele konkrete Entscheidungen über die Wahl der Mittel zur Bekämpfung der Klimakrise den demokratischen Entscheidungsträgern überlassen. Ausgehend von den im Bericht bewerteten Mindestanforderungen sind die Implikationen für sie – die demokratischen Entscheidungsträger – klar und logisch:
Sie können die Mindestanforderungen für klimafreundliche Transformationen ignorieren, bestehende gesellschaftliche Präferenzen akzeptieren, öffentliche Investitionen reduzieren und Regulierungen vermeiden und damit implizit in Kauf nehmen, dass die Klimaziele mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht werden.
Alternativ können sie die Mindestanforderungen für klimafreundliche Transformationen ernst nehmen und Maßnahmen setzen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Klimaziele erreicht werden.
Die Herausforderungen unserer Zeit – Klimakrise, Artensterben, Flächenverbrauch, Angriffe auf Sozialstaat und Demokratie, Verlust von Empathie- und Konfliktfähigkeit – die Herausforderungen unserer Zeit ignorieren oder ernst nehmen.
Den Status Quo mit aller Macht, derer man fähig ist, verteidigen – unabhängig davon, wie hoch der Preis wird, den wir alle dafür zahlen werden, die Ärmeren mehr als die Reichen, die Jungen mehr als die Alten – den Status-Quo mit aller Macht verteidigen oder die notwendigen Veränderungen Schritt für Schritt angehen, Bewegung ins Gewohnte bringen, Neues ausprobieren.
Was ist die Verantwortung von Politik?
Im Standard erschien vor kurzem ein Artikel unter dem Titel „Utopie im Klassenzimmer“:
Es ging um die These, dass junge Menschen angesichts der vielen gegenwärtigen Krisen und Unsicherheiten mit ihren Zukunftsängsten besser umgehen können, wenn sie Utopisches Denken üben. Utopisches Denken nicht als das Bauen von Luftschlössern, sondern beginnend mit der Fähigkeit, die Probleme der Gegenwart zu erkennen und zu analysieren, in der Folge gemeinsame Strategien für ihre Bewältigung zu entwickeln.
Vor 5 Jahren, als ich nicht hier, sondern coronabedingt im viel größeren Pfarrsaal in der Gentzgasse vor Ihnen stand, war ich um einiges zuversichtlicher: In den USA zeichnete sich die Chance auf ein Ende der Ära Trump ab, der demokratische Präsidentschaftskandidat versprach den Wiedereintritt ins Pariser Klimaabkommen und wirksame Maßnahmen gegen die Krise. Die EU hatte sich gerade auf den Green Deal verpflichtet und auch in Österreich setzte eine Bundesregierung erstmals die überlebenswichtigen Themen Klimakrise, Bodenschutz, Biodiversität ernsthaft auf die Agenda.
Und heute? Anfang Juni fand in der Hofburg der Austrian World Summit statt – eine alljährliche Veranstaltung mit dem Ziel, Wege für eine klimafreundlichere Zukunft zu finden. Neben den allseitig immer gleichen, folgenlosen Bekenntnissen erklärte Bundeskanzler Stocker dort als Conclusio seiner Rede, es gehe nicht um Verzicht, sondern um Innovation.
Wege für eine klimafreundlichere Zukunft: Nicht Verzicht, sondern Innovation.
Es ist also kein Verzicht, wenn 18-Jährigen das kostenlose Klimaticket gestrichen wird – und als Innovation wird der Kauf von Diesel- und Benzin-Transportern begünstigt?
Es ist also kein Verzicht, wenn mit dem verteuerten Klimaticket Bahn und Bus für so viele wieder weniger leistbar werden – und stattdessen wird der Pendlereuro innovativ aufs 3-Fache angehoben?
Es ist kein Verzicht, wenn der Klimabonus als sozialer Ausgleich für die wichtige CO2-Steuer abgeschafft wird – und die Beibehaltung von Dieselprivileg, Pendlerförderung und Dienstwagenbegünstigung ist dann die Innovation?
Nicht Verzicht, sondern Innovation… Es hinterlässt mich ratlos.
Was ist die Verantwortung von Politik?
Verbrenner-Aus hinauszögern, sich gegen das Renaturierungsgesetz stemmen, Tempo 130 wichtiger finden als Unfallvermeidung und Klimaschutz, Klimagesetze und Bodenschutzrichtlinien so lange torpedieren, bis sie ohne verbindliche Ziele beschlossen werden – wen wundert’s, dass sich die Jungen in ihren Zukunftssorgen von dieser Politik nicht gut vertreten fühlen.
Was ist die Verantwortung von Politik?
Die Mindestanforderungen für klimafreundliche Transformationen nicht ignorieren, sondern ernst nehmen. Die Probleme der Gegenwart erkennen und analysieren und gemeinsame Strategien für ihre Bewältigung entwickeln.
Die Ursachen und die Auswirkungen der Klimakrise sind so komplex, dass es nicht die zehn Maßnahmen gibt, die Abhilfe schaffen, und nicht die fünfhundert Menschen, die das Problem lösen werden.
Es braucht auf allen Ebenen, in allen Bereichen, von uns allen utopisches Denken und entschlossenes Handeln.
Und genau deshalb müssen auch wir alles tun, was in unserem Bereich möglich ist – nicht mehr, und auch nicht weniger.
Genau deshalb werden wir in Währing weiter klimafreundliche Mobilität fördern und so unseren Beitrag zur notwendigen Reduktion von Autowegen und Autobestand leisten.
Wir haben die Straßenbahnbehinderungen erheblich reduziert – und immer noch sind es zu viele.
Wir haben eine durchgängige Radverbindung quer durch den Bezirk geschaffen – und werden uns jetzt dafür einsetzen, dass man in Zukunft nicht nur gut bis zum Gürtel, sondern bis zum Ring radeln kann.
Wir haben an ganz vielen Stellen für sichere Schulwege und attraktives Zu-Fuß-Gehen gesorgt – und auch da gibt es noch genug zu tun.
Und wir haben gemeinsam mit den Wiener Linien die Autowette gestartet – ein erster Schritt dahin, dass wir in Zukunft gemeinsam mit weniger Autos auskommen. Und so Ressourcen, Platz und jedem einzelnen Geld sparen. Weil alle ein Auto zur Verfügung haben, wenn sie es brauchen – ohne sich dafür ein eigenes leisten zu müssen. Von wegen Innovation. Statt Verzicht.
Genau deshalb werden wir in Währing weiter daran arbeiten, dass das Leben in der Stadt trotz steigender Sommerhitze erträglich bleibt.
200 neue Baumstandorte bisher im dicht verbauten Gebiet, und in der Plenergasse, in der Michaelerstraße, in der Schopenhauerstraße arbeiten wir gerade daran, dass es noch mehr werden.
Den alten Baumbestand in der Pötzleinsdorfer Allee und in der Kreuzgasse gerettet, und demnächst folgt ein weiterer Abschnitt der Alsegger Straße.
Und hier im Festsaal gibt es ab nächster Woche zum zweiten Mal die Coole Zone – offen für alle Währinger*innen, die zwischendurch Erholung von der Sommerhitze brauchen.
Wir haben mit dem Johann-Nepomuk-Vogl-Platz und dem erweiterten Kutschkermarkt neue Grätzlzentren geschaffen – und an vielen Ecken kleine Treffpunkte für die Nachbarschaft.
Und wir haben den Währinger Nachbarschaftstag ins Leben gerufen.
Weil ein gutes Miteinander, die Gewissheit, sich aufeinander verlassen zu können und füreinander da zu sein, so wichtig ist, um für Krisen gewappnet zu sein und gemeinsam mit ihnen gut umzugehen.
Für all das braucht es viel Unterstützung. Und für all das braucht es auch Mut. Und so möchte ich mich heute bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Bezirksvertretung, bedanken. Dafür, dass ihr in der Mehrheit diese Verantwortung immer wieder mit übernommen, diesen Mut aufgebracht und diese Politik gemeinsam getragen habt. Und ich möchte mich bei der Stadt bedanken, dass wir in den letzten Jahren so viele Projekte gemeinsam planen und umsetzen konnten – und hoffe, dass in den kommenden fünf Jahren viele weitere folgen.
Lasst uns die Herausforderungen auch für die kommenden 5 Jahre ernst nehmen. Lasst uns weiter mit Energie und Ernsthaftigkeit für die Zukunft arbeiten, mit Sorgfalt und Entscheidungsfreude, mit Hartnäckigkeit und Kompromissbereitschaft, mit Wissen um die Interessen von heute und doch ganz klar mit der Verantwortung für morgen. Auch wenn es Mut braucht.
Denn das ist die Verantwortung von Politik.
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